Ethik für Führungskräfte

Fast mühelos liest sich die Definition von Ethik des Römischen Kaisers Marcus Aurelius: „Wenn es Unrecht ist, tue es nicht; wenn es Unwahrheit ist, sage es nicht.“ Das hört sich leicht an, ist es aber nicht. Schon gar nicht im Alltag. Als Menschen sind wir aufgefordert, so zu handeln, dass eine größtmögliche Übereinstimmung mit unseren Werten und Idealen besteht. Dabei geht es nicht um das, was für uns selbst richtig und anständig wäre. Das wäre Moral – die fühlt was richtig ist und muss nicht nachdenken. Man könnte auch sagen: „Sie weiß es immer schon.“

Ethik fragt. Sie ist kritisch und vor allem selbstkritisch, unparteiisch und nicht ideologisch. Verglichen mit der Moral ist darum die Ethik die methodisch überprüfbare Besinnung darauf, ob das was man tut auch gut und richtig ist. Ethik beschäftigt sich mit den Bedingungen, den Begründungen und der Gestaltung guten Handelns. Die übergeordnete Prüfung der Moral.

Für Führungskräfte:

Es gibt Situationen, für die es keinen Masterplan gibt: Was ist richtig? Was ist zumutbar? Wie kann man verantwortlich handeln? Ethik hilft dabei, einen neuen Blick auf die eigene Perspektive zu werfen. Dabei werden die eigenen verbundenen Verzerrungen wahrnehmbar, mit denen eine bestimmte Situation bewertet wird. Die Wahrscheinlichkeit, eine gute Entscheidung zu treffen, wird deutlich erhöht und eine Willkürentscheidung vermieden.

Führungs-, Organisations- und Prozessthemen haben soziale Dynamiken und unterschiedliche Wertedimensionen. Werden diese bei Entscheidungen nicht beachtet, schafft das oft mehr Probleme als es bestehende löst.

Typische Beispiele hierfür sind: Einführung eines neuen Vergütungssystems, Veränderung des Schichtsystems, organisatorische Veränderungen, Einführung neuer Tools und Prozesse, Umgang mit „üblichem“ Fehlverhalten, etc. Jede Veränderung berührt auch Nebenbereiche, die sich auf den ersten Blick nicht erschließen, aber bewirken, dass Entscheidungen häufig zu wenig durchdacht und begründet sind – nicht bis in alle Ecken ausgeleuchtet sind. Dies hat zur Folge, dass solche Schritte unerwünschte Wirkungen nach innen und nach außen erzeugen. Und das möchte keiner.

Der Ethik-Tempel

Ein hilfreiches Modell um diese Fragen – unabhängig von der Sachebene – zu reflektieren, habe ich bei dem Transaktionsanalytiker Rolf Balling gefunden. Dieses Konzept hilft mittels vier Leitfragen, schwierige Konflikte zu strukturieren. Also Entscheidungen nicht nur funktional zu begründen, sondern sensibel die ethische Dimension der nächsten Schritte zu bedenken und mögliche Dilemmata angemessen zu reflektieren.

1. Dimension: persönliche Reife

Definition: die Grundüberzeugung, dass jeder Mensch einen besonderen Wert hat (das bezieht auch Systeme ein). Ein Mensch, der eine persönliche Reife hat, ist erfahren genug, um Folgen abschätzen zu können, und er kann auch Komplexität und Unsicherheit annehmen und ist bereit über „Leitplanken“ (siehe unten) zu gehen.

Hilfreiche Fragen:

  • Wie reif schätze ich mich ein, um gute Wege in einer komplexen Situation zu gehen?
  • Kenne ich Situationen, bei denen ich impulsiv reagiere?
  • Wie hat meine Biographie meine ethische Kompetenz gefördert?
  • Was sind meine dysfunktionalen Tendenzen unter Stress?

2. Dimension: Leitplanken

Definition: Dazu gehören die „goldene Regel“ (Matthäusevangelium; Kategorischer Imperativ (Immanuel Kant), staatliche Gesetze, Compliance Regeln, Prüfungsverordnungen etc. Also alles, was es an Regularien und Dogmen gibt, sowohl gesetzlich als auch innerhalb Ihrer Organisation.

Hilfreiche Fragen:

  • Welche Regeln will ich in dieser Situation für mich gelten lassen? Und welche nicht?
  • Welche Regeln akzeptiere ich in diesem Fall als unverrückbar?
  • Gibt es eigene Regeln, denen ich ohne weiters Nachdenken folge?
  • Fürchte ich Sanktionen und/oder hoffe ich auf Belohnung?

3. Dimension: Folgen

Definition: Wenn Beschäftigte, Lieferant:innen und Kund:innen sich nicht fair behandelt sehen, kündigen sie das Vertrauen, die Loyalität, den Vertrag. Das kostet dem Unternehmen nicht nur Geld, sondern auch Reputation und Glaubwürdigkeit. Als Führungskraft braucht man dieses Vertrauen – vor allen Dingen auch von den Mitarbeiter:innen. Als Entscheider:in brauchen Sie auch einen Blick auf Ihre eigenen Bedürfnisse und auf die Ihrer Familie.

Hilfreiche Fragen:

  • Wo setze ich die Grenzen meiner Prognose bezüglich der einbezogenen Betroffenen und der zeitlichen Dimension?
  • Was sind die Folgen für mich selbst und für die anderen?
  • Hat die Entscheidung Einfluss auf meine Rolle und mein Familienleben?

4. Dimension: Verbundenheit

Definition: Das bedeutet, sich einer anderen Person oder Personengruppe zugehörig zu fühlen und in einer gegenseitig vertrauensvollen Beziehung zu stehen. Die Verbundenheit bildet das Fundament der ethischen Fragestellungen.

Hilfreiche Fragen:

  • Komme ich in Widerspruch mit den bereits angedachten Fragen?
  • Fühle ich mich noch verbunden mit mir selbst, bevor ich einem anderen etwas zumute?
  • Wie gehe ich mit Dilemmata um?

 

Für Führungskräfte ist es wichtig, dass sie in ihrem Handeln und Entscheiden diese ethische und werteorientierte Perspektive nicht nur integrieren, sondern sie leben. Bei den ersten Schritten zu einer Entscheidung können die hier erwähnten Fragen die Richtung vorgeben.

So bahnt sich Ethik aus dem philosophischen Elfenbeinturm einen Weg in die eigene berufliche Praxis. Zugegeben es wird nicht alles gut werden – aber vieles besser!

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