Otto Lilienthal wollte beweisen, dass ein Mensch wie ein Vogel fliegen kann. Immer wieder schnallte er sich Flügel an die Arme und hob ab. Und immer wieder fiel er sehr unsanft auf die Erde. Es scheint, als habe es tief in ihm eine Macht gegeben, die ihn zum Weitermachen trieb. Früher hätte man vermutlich gesagt: „Na, der hat Biss.“ Heute sprechen wir von Resilienz.
Definition
Resilienz bezeichnet Menschen, die seelisch in der Lage sind, Lebenskrisen ohne anhaltende Beeinträchtigung durchzustehen. Das lateinische Wort resilio (abprallen, zurückspringen) kommt ursprünglich aus der Physik und bezeichnet in der Werkstoffkunde die Belastbarkeit eines Materials. Die Verhaltensforscher haben den Begriff übernommen und auf die Menschen übertragen: Resilient ist, wer die seelisch-emotionale Widerstandskraft aufbringt, sich nicht von Stress, Krisen und Schicksalsschlägen charakterlich verbiegen zu lassen, sondern das Beste aus dem Unglück macht. Daraus lernt und über sich selbst hinauswächst. Dank der Resilienz hält der Mensch einiges aus: schwere Krisen und Krankheiten, Verluste, Folter, Katastrophen, oder den Tod eines nahestehenden Menschen.
Forschung
Die amerikanische Psychologin Emmy Werner war eine der ersten, die sich in den 1950er-Jahren mit dem Begriff Resilienz beschäftigt hat. Werner hat in ihrer „Kauai-Studie“ den gesamten Geburtsjahrgang 1955 (700 Kinder) der hawaiianischen Insel Kauai von deren Geburt an 40 Jahre lang begleitet. 30 Prozent der Kinder wuchsen unter schwierigen Bedingungen auf: Sie kamen aus armen Familien, die viel stritten oder in denen Eltern psychisch krank waren. Ein Drittel dieser „Risikokinder“, entwickelte sich erstaunlich gut. So widerlegte Werner die Annahme, dass Kinder aus Risikofamilien zwangsläufig eine schlechte Prognose haben.
Neu ist dieser Ansatz nicht. Auch die Philosophie hat nach Antworten auf Fragen nach dem Seelenfrieden gesucht. Die antike Schule der STOA bestand aus einer ständigen Suche nach dem Umgang mit dem Leid. Stoiker lassen sich nicht von Emotionen beeinflussen sondern begegnen ihnen mit reinem Verstand – so ihre These. Dafür ernteten sie viel Kritik. Die Lebenskunst liegt eben nicht darin, Leid zu verleugnen und Schmerzgefühle zu unterdrücken. Sondern Strategien zur Bewältigung zu finden und möglichst oft anzuwenden. Das fördert Resilienz.
Resiliente Menschen bleiben aktiv: Sie suchen nach Auswegen und bekommen so Kontrolle über ihr Leben.
Und so geht‘s:
Sechs Tipps um Ihre Resilienz zu stärken
1 – Akzeptieren
Die Dinge im Leben laufen nicht immer nach Plan. Das ist keine böse Macht, die sich gegen uns verschworen hat. Es passiert einfach. Es nützt nichts, zu hadern und zu grübeln. Ein Schlüsselsatz könnte lauten: „Es ist jetzt eben so. Jetzt muss ich damit klarkommen!“ Es gibt nicht für jede Situation sofort eine Lösung. Vielleicht aber einen ersten Ansatz.
2 – Schönes sehen
Wer ständig das Haar in der Suppe sucht, der wird es auch finden. Wird dadurch das Leben schöner? Ganz bestimmt nicht. Es geht ja nicht nur um die großen Dinge im Leben, sondern darum, Nettes auch im Alltag zu finden.
3 – Optimismus
Wissen Sie was Bob, der Baumeister und die Komikergruppe Monty Python gemeinsam haben? Sie sind Anhänger der optimistischen Denkweise. („Jo, das schaffen wir“ oder “Always look on the bright side of life“). “Das schaffe ich schon” oder “Was soll schon schief gehen”, sind typische Sätze für Menschen, die optimistisch durch das Leben gehen. Für diese Menschen gibt es natürlich dennoch Tiefschläge, aber sie machen andere nicht verantwortlich. DA GEHT NOCH WAS! Welche Chancen können als nächstes ergriffen werden?
4 – Selbstwahrnehmung
Schauen Sie nicht immer auf Ihre Fehler, sondern auf das, was Sie gut können. Ich weiß, das ist nicht unbedingt der neuste Tipp. Lohnt sich aber, zu üben. Ein anderer guter Weg ist, Schwächen positiv zu deuten: Hadern Sie nicht damit, dass Sie nicht nein sagen können, sondern versuchen Sie es doch einmal mit dem Satz: „Wenn so viele Leute Hilfe brauchen, heißt das ja wohl, dass ohne mich hier nichts läuft!!“ Klingt doch auch gut, oder?
5 – Kontrolle behalten
Resiliente Menschen sind alles andere als impulsiv. Sie können auf entsprechende Verhaltensanreize überlegt reagieren. Auch denken sie weniger in Kategorien wie „Glück gehabt“. Sie wissen, dass sie auch einen Anteil an ihrer Situation hatten.
6 – Kontaktfreude
Haben Sie soziale Kontakte? Freunde, Familie, Nachbarn oder Arbeitskollegen? Vereine und Verbände? Das ist gut. Wer in mindestens drei Bereichen Kontakte hat, ist gut aufgestellt. Allein die Aussicht auf mögliche Hilfe lindert die Verzweiflung.
Suchen Sie neue Herausforderung. Wer sich weiterentwickelt, erweitert den eigenen Horizont und ist gut gerüstet für weitere Krisen. Und seien Sie milde mit sich. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Außer vielleicht Otto Lilienthal.